Wird 2011 das Jahr des f-Commerce? Chancen und Risiken für Facebook, Händler und Kunden
Vor einiger Zeit hat die t3n in einem Beitrag zusammengefasst, was Online-Experten für die Megatrends 2011 halten. Mich wundert, dass kaum einer der Experten konkret die Verknüpfung von Facebook und Shoppinglösungen genannt hat.
Bisher erleben (und leben) wir Facebook vor allem als Dialogplattform. Nutzer waren und sind vornehmlich dort, um mit privaten Kontakten Informationen aller Art auszutauschen. Sie profitieren aber auch von einer Veränderung im Dialog mit Unternehmen. Fühlt man sich in Briefen, Mails und Telefonaten schnell als Bittsteller, hebt der öffentliche Dialog via Facebook den Kunden auf Augenhöhe mit dem Unternehmen und macht ihn somit zu dem, was er eigentlich sein sollte: Nicht anonymer Konsument, nicht König, sondern Partner.
Für mich ist nicht die Frage, ob 2011 das Jahr des “f-Commerce” wird, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich bin eher neugierig, welche Ausrichtung sich stärker durchsetzt: Shoplösungen zur Integration in Facebookseiten (Facebook-Shops) oder Nutzung von Facebook-Verknüpfungen auf der eigenen Shopseite (Webshop-App).
Integrierte Facebook-Shops sind noch sehr selten. Zu den Anbietern von Shopsystemen zählen zum Beispiel die Jenaer Igniti. Aber auch Facebook selbst arbeitet offenbar intensiv an entsprechenden Features zur Anwendung auf Facebookseiten.
Ein sehr gelungenes Beispiel für eine Webshop-App liefert das DaWanda-Pendant Etsy mit dem Geschenkefinder. Die App erlaubt mir, einen meiner Facebookfreunde auszuwählen und schlägt mir dann für diesen passende Geschenke vor. Die Auswahl der Vorschläge erfolgt dabei anhand von Fanseiten des jeweiligen Freundes. Das funktioniert wirklich ziemlich gut. Mit der Handpuppe im Johnny Cash Style und dem Comic Haarband könnte ich Uwe bzw. Anna garantiert eine Freude bereiten und ohne App wäre ich da nie drauf gekommen.
Unabhängig davon ob intern oder extern: 2011 könnte zum Jahr des f-Commerce werden und der oft gezogene Vergleich von Social Media Marketing und Tupperparty noch stimmiger als sowieso schon. Eine Veränderung in der e-Commerce Struktur, die für Händler, Kunden und last but not least für Facebook viel Chancen aber auch Risiken bereithält, von denen ich einige hier grob skizzieren möchte. Fakt ist: Ausruhen ist nicht. Und ist das Kissen noch so weich.
Welche Chancen hat ein Shopbetreiber?
– Er kann seine Kunden dort bedienen, wo sie sich am längsten aufhalten.
– Er kennt Vorlieben und Interessen seiner Kunden, ohne diese mühsam zu generieren.
– Er kann Kunden durch Sammelrabatte zu Vertrieblern machen, die in ihrem Netzwerk in Echtzeit nach Shoppingpartnern suchen können.
– Er kann (theoretisch) in Echtzeit auf Fragen zum Einkauf reagieren und beraten.
– Er kann bei der Auslieferung von Werbebannern auf ein extrem gutes Targetingsystem bauen.
– Er kann Sonderangebote über die Statusmeldungen schneller und mit höherer Lesewahrscheinlichkeit anbieten als in e-Mail Newslettern und diese noch mit Videoinformationen aufwerten.
Welche Risiken hat der Shopbetreiber?
– Er muss die richtige Wahl zwischen Facebook-Shop und Webshop-App treffen.
– Er muss seine Servicemitarbeiter gezielt auf den öffentlichen Dialog vorbereiten.
– Noch schneller als gute Nachrichten (Qualität, Lieferzeit, Abwicklung) verbreiten sich schlechte.
– Er muss sich sehr intensiv mit Datenschutzbestimmungen auseinandersetzen.
Welche Vorteile hat der Kunde?
– Er sieht sofort (eventuell schlechte) Bewertungen von anderen Kunden.
– Er kann sich mit anderen Kunden beim Einkauf austauschen.
– Ihm werden Produkte vorgeschlagen, die für ihn oder seine Freunde interessant sind.
– Er braucht sich nicht jedes Mal einzuloggen, eine Bestätigung des Kaufs könnte zum Beispiel per Opt-in über die hinterlegte E-Mail Adresse erfolgen.
– Sammelrabatte ermöglichen mir das preiswerte Einkaufen mit meinen Freunden.
– Wunschzettel-Apps können Angebote verschiedener Shops abgleichen.
Welche Risiken hat der Kunde?
– Es wird immer schwieriger, selbst zu entscheiden, welche Daten Unternehmen einsehen, nutzen und verarbeiten dürfen = Daten schützen.
– Zu viel kommerzielle Nutzung verdirbt den Spaß bei der Nutzung von Facebook.
Chancen für Facebook
– Mehr Unternehmen, die Facebook überhaupt nutzen.
– Mehr Unternehmen, die Facebook auch als Absatzkanal nutzen.
– Kunden verbringen mehr Zeit auf Facebook.
– Mehr Unternehmen, die Bannerwerbung schalten.
– Mehr Werbeschaltungen zu höheren Klick- oder Viewpreisen.
Risiken für Facebook
– Unternehmen nehmen zu viel Raum in einer eigentlich privaten Umgebung ein.
– Ohnmachtsgefühl der Nutzer durch “kommerziellen Overkill”.
– Meinungsführer könnten die Plattform verlassen.
06.01.2011 Update mit Lesehinweisen
Alexander Ringsdorff über F-Commerce bei Levi´s
Kontroverse XING Diskussion zum Thema mit Beteiligung von zwei weiteren Shop-Anbietern neben Igniti
5 Kommentare
Silke Brock
Thomas,
ich kann Deine Skepsis nicht ganz nachvollziehen. Fast alle Unternehmen die erfolgreich arbeiten, präsentieren Ihre Produkte an Orten wo sich Ihre Kunden aufhalten. Sonst wären ja alle Messen, Tagungen usw. überflüssig oder fänden erst gar nicht statt. Nur bei Facebook hat man noch einen großen Vorteil, man kann ohne extrem große Anstrengungen Zugang bzw. Kontakt zu seinen Kunden erhalten.
Zur Usability: Selbstverständlich kann noch nicht alles perfekt sein,das ist nunmal so in einem neuen Segment. Die normalen Wehshops haben Jahre benötigt um den heutigen Standard zu erreichen.
Ich kann Deine Meinung nicht teilen.
Viele Grüße
Silke Brock
Thomas Hutter
@hendrik
Jedem seine Meinung. Die Zeit wird es zeigen…
Hendrik Maat
Grundsätzlich sollte erst mal verstanden werden das f-commerce in mindestens 4 integrationsformen vorhanden ist.
1. Off-page (Widgets in Webshops die mit Facebook verknüpft sind wie der “gefällt-mir” button, die überigens rechtlich gesehen sehr umstritten sind weil man als Shopbetreiber Persönliche Informationen an dritter (Facebook) weitergibt, was überhaupt nicht zulässig ist ohne vorabgehende Zustimmung des Konsuments und alleine deswegen schon kein durchsetzungspotential hat ohne das sich die rechtslage ändert. Warte nur bis die abmahnungswellen gestartet werden wie damals mit der impressumpflicht…)
2. Verlinkungen, das heisst mehr oder weniger schön angeordnete Bilder in einen Tab die sich oft “Shop” nennt aber wo man nicht kaufen kann und ohne vorwarnung an den Webshop geleitet wird mit dementsprechende absprungraten.
3. “Facebookshops” die als eigenständige Facebookapüplikationen betrieben werden müssen und nicht in der eigene Facebookseite integrierbar sind, somit nach meiner Meinung überhaupt kein sinn machen, weil wen man hier Fan wird, wird man Fan von der Applikation und nicht von der Brandpage auf Facebook.
4. Facebookshops. Völlig integrierbar in der eigene Facebookseite ohne wenn und aber mit allen Vorteile so wie man sich das eigentlich auch erwartet wen man redet von einen “Facebookshop”.
Innerhalb von diese 4 gibt es wiederum unterteilungen, ich arbeite gerade an ein kleines Informationsblatt was mehr licht auf die verschiedenen Lösungen gibt damit verständlich wird welche Art für welche shop sinn macht und was nicht. Selbstverständlich hat jeder Shop seine eigene Vorstellungen und sollte jeder das einsetzen was für ihm am meisten sinn macht.
@Thomas: Es ist ja bekannt das du hier der skeptische kritikerrolle auf dich genommen hast. Ich habe noch nicht ganz verstanden wieso, so anti-Facebook schaut deinen Auftritt nicht aus. Deinen Blog nach wurde mann fast meinen du bist der Neffe von Zuckerberg.
Gerade die von dir erwartete potentiale sind ind Deutschland so nicht einsetzbar wegen grobe Datenschutzverletzungen.
Wieso du meinst das der Fahrrad.de gerade in der Usabillity so schlecht is (und mit ihm noch 200 andere Shops die gerade unser System testen) verstehe ich auch nicht. Das System wurde nicht alleine in der Verwendung von mehrere Shops mit den Qualitätskriterium Trusted SHops ausgezeichnet, sondern auch bereits als software vorzertifiziert von Trusted Shops.
Auch haben sich bereits einige (unabhängige) usability spezialisten damit beschäftigt, sagen aber ganz was anders aus als du. Vielleicht schaust mal wieder rein, es hat sich in den letzten Monaten einiges geändert, vielleicht bist du nur am alten stand?
Statistiken gibt es einfach noch nicht aber wenn du bereit bist das System zu testen, kannst du unsere ja mal hernehmen? Kosten tut es dir hochstens ein par % Kommisionen und danach hast eigene statistiken.
Wie sollte man eine Fanpage mit 6000 Fans mit Täglich ? Besucher (Fahrrad.de) vergleichen mit eine Webseite die über 40.000 Zugriffe pro Tag bekommt über Adwords, affiliates, kampagnen, SEO, SEM, usw. wo 100-tausende an euro`s alleine fürs marketing ausgegeben wird?? Was für Statistiken wird es da wohl geben?
Ich kann dir nur soviel sagen: setzt man den investment in die Facebookseite incl. Shop gegenüber den Investment in der Webshop…. hat sich einen facebookshop innerhalb kürzeste Zeit bis ins unmessbare gezahlt. Aber nur wenn richtig angewendet.
Ich kann nur bestätigen dass sich F-commerce voll durchsetzt, zumindest von der Betreiberseite. Zum Beispiel der deutsche Handelskongress (http://www.conferencegroup.de/_pdf/pdf_program/Deutscher%20Online%20Handelskongress%202011_WEB.pdf) steht an vielen Stellen im Zeigen des Social Medias und vielen referenten werden genau dieses Thema ansprechen. (yip, auch ich)
Das der Konsument auf sich warten lassen wird ist ja kaum eine Überraschung. Es ist sage und schreibe noch keinen Jahr her das sich facebook richtig durchgesetzt hat, und hier wollen wir schon erwarten das die Verkäufe in dieses Medium boomen? Wie lange hat es gedauert bis sich online shops überhaupt durchgesetzt haben?
Ich glaube nicht das dies an das Vetrauen liegt wie Thomas behauptet, sondern einfach weil es noch viel zu jung ist und einfach noch nicht generell verfügbar ist. Namhafte Seiten mit mehrere Fans haben bereits zig mal bewiesen das Verkauf in, auf oder verlinkt über Facebook funktioniert, es braucht einfach noch ein bisschen Zeit, das ist alles.
Was es auch braucht ist einen Gedankenwechsel. Sehe Facebook nicht als Vertriebskanal, sondern als kommunikationskanal. Setzte einen facebookshop ein als Marketingtool, verwende kampagnen, exclusivität für Fans, spezielle Preise für fans. Versand gratis für Fans, usw.
Ich wünsche allen einen guten Rutsch!
Thomas Hutter
Danke für den interessanten Beitrag. Allerdings bin ich persönlich sehr kritisch zum Thema eingestellt und glaube nicht, dass sich Shops innerhalb von Facebook 2011 durchsetzen werden. Warum?
– fehlendes Vertrauen der Benutzer in die Sicherheit in Facebook
– fehlende, bzw. ungenügende Usability innerhalb von Facebook Applikationen (der auf XING genannte Fahrrad-Shop ist ein Beispiel für eine schlechte Usability)
Eine weitere Frage, die ich mir in diesem Zusammenhang stelle, warum soll ich innerhalb von Facebook eine Shoppingmöglichkeit anbieten? Die meisten Interaktionen mit einer Facebook Seite passieren über die Pinnwand, dh. besser aktuelle und auf die Zielgruppe in Facebook zugeschnittene Angebote via Facebook propagieren oder eine entsprechende Gateway-Seite zur Verfügung stellen und die Besucher und Fans so auf die Usability-gerechte und sehr funktionale Shopseite ausserhalb von Facebook bringen.
Mich würden entsprechende “Erfolgsstatistiken” von Facebook-Shops grundsätzlich interessieren – da mir bis jetzt keine aussagekräftigen Zahlen vorliegen, Shopanbieter und -betreiber mit Zahlen geizen, nehme ich einmal an, dass die Zahlen bewusst nicht gezeigt werden, da sie wahrscheinlich weit unter den Erwartungen liegen.
Anders sieht es meiner Meinung nach bei einer professionellen und durchdachten Integration von Social Plugins von Facebook in einem Shop aus. Der “gefällt-mir”-Button in Verbindung mit dem Recommendations- und dem Activityfeed- und dem Comment-Plugin bietet einiges an Potential…