Wie viel Kreativität verträgt eine Pressemitteilung?
Null! Es geht schließlich um seriöse, sachliche Informationen, die ebenso aufbereitet sein wollen, damit die Redakteure, Blogger und andere Vervielfältiger unverfälschten Input für ihre eigene Berichterstattung bekommen.
Viel! Es geht schließlich um Unterstützung bei der Einordnung der puren Information, um Hilfe beim Finden von Aufhängern für die eigene Berichterstattung von Redakteuren, Bloggern und andere Vervielfältigern.
Beides stimmt, doch je nach Zweck das eine mehr als das andere:
Sind Finanzinfos, Personenmeldungen oder Partnerschaften die Themen, hat die rein sachliche Formulierung das absolute Primat. Sei es allein schon aufgrund des Börsenrechts oder weil die Interessen anderer Unternehmen als nur die des eigenen Kunden tangiert werden, sei es, weil die angestrebten Formate an Veröffentlichungen eh vor Staubheit strotzen. Nichts ist langweiliger geschrieben als Finanznachrichten, Personalinfos oder Koop-Meldungen (außer vielleicht die Spielberichte auf kicker.de) und daran ändert auch ein spritzigerer Stil einer Pressemitteilung nichts.
Gilt es allerdings ein neues Produkt oder einen neuen Service anzukündigen, sorgen neutrale Faktensammlungen und Featurelisten eventuell mal zu kleinen Newsmeldungen in der Fachpresse, aber inspirieren weder Global-Interest-Medien noch TV-Produktionsfirmen noch Lifestyle-Gazetten. Noch wird aus einem kümmerlichen Einspalter ein Aufmacher. Nach meiner Erfahrung sind selbst Fachmedien zunehmend dankbarer für zugelieferte Kontexte, Zuspitzungen, Vergleiche, Bilder und andere bunte Anpreisungshilfen.
Habe ich „Storytelling“ gesagt“? Nein. PMs taugen nicht zur Epik, dafür ist die Rezeptionszeit zu kurz, oberflächlich und vergänglich. Für das Storytelling gibt es andere PR-Instrumente wie telefonische Pitches, Cases, YouTube, Fachartikel, Vorträge etc. Ich meine auch keine pseudokreativen Sprachergüsse, die abends im Schaukelstuhl genossen wonnige Zungenschnalzer hervorlocken; denn auch dafür passt die hektische Rezeptionshaltung vorm Redaktionsrechner nicht. Das wäre ähnlich erfolglos wie die Durchsagen in den tschechischen Zügen, die mich so oft von Dresden nach Berlin bringen und mir morgens um 6 Uhr den Genuss eines echten Pilseners nahelegen.
Es geht um eine nebenbei erfolgende Einordnungshilfe für gestresste, unterbesetzte Redaktionen. Das können ein Halbsatz mit einem Link sein, eine prägnante Wortneuschöpfung, eine beigefügte Grafik, ein Zahlenvergleich – und wenn einem gar nichts anderes einfällt auch die Ergebnisse einer Umfrage bzw. neudeutsch „Studie“.
„Truth well told“ – das vortreffliche Credo von McCann Erickson von 1912 braucht ein kleines Update. Mein Vorschlag: Truth well narrated. Denn wahr ist nicht unbedingt, was wir sagen, sondern was der Gegenüber versteht und zur Kongruenz von beidem verhilft gern eine kleine Einbettung.
Kleiner Exkurs: Ich stoße manchmal auf seltene Wörter, bei denen ich mir selbst auferlege, dass ich sie im nächsten Text unterbringen muss. Schon wird der Textprozess wesentlich unterhaltsamer und kreativer. Ich meine Worte wie „Schnickschnack“ oder „Maustatur“
In diesem Text musste ich übrigens „Zungenschnalzer“ unterbringen.