Eltern-Kind-Kur: Warum die Nachfrage nach Corona stark steigen wird und Erfahrungen als Vater
Eltern sein im Lockdown: so ungefähr das genaue Gegenteil von Ponyhof.
Plötzlich bist Du noch Privatlehrer:in, Hortner:in, Fußballtrainer:in und Keyboardlehrer:in in einem. Die Kinder vermissen ihre Klassen- und Spielkameraden, die Decke fällt ihnen mächtig auf den Kopf. Dazu sind Spielplätze abgesperrt, Schwimmbäder geschlossen und viele Lehrer mit der Strukturierung des Fernunterrichts überfordert. Der Stresslevel in Familien ist extrem hoch, egal wie tolerant, flexibel und kinderfreundlich die Arbeitsstelle ist.
Ich bin überzeugt davon, dass die Nachfrage nach Eltern-Kind-Kuren mit Ende der Corona-Zeit sehr stark zunehmen wird und möchte daher hier persönliche Erfahrungen schildern und – vor allem Vätern – den Tipp geben, sich rechtzeitig zu informieren und ggf. eine entsprechende Maßnahme zu beantragen.
Bis zum letzten Frühjahr wusste ich tatsächlich nicht, dass auch Väter ein Anrecht auf eine Eltern-Kind-Kur haben. Damit gehörte ich offenbar zu einer großen Mehrheit (gerade mal 3-5 % der teilnehmenden Erwachsenen an einer Eltern-Kind-Kur sind Väter). Umso überraschter war ich, als mir Hausärztin und Freundin rieten, über eine entsprechende Auszeit mit meinem Jüngsten nachzudenken. Mein Vater war damals plötzlich an Leukämie erkrankt und ich merkte, dass ich immer häufiger nicht wie gewohnt vor Freude im Dreieck „Familie – Job – Ehrenamt“ sprang, sondern mich von A nach B mühte und dabei C im Kopf hatte. Ich definierte mich zwar eher als urlaubsreif denn als ausgebrannt, bin aber von jeher nicht gerade der geborene Erholungsurlauber (nach einem Tag „Nichtstun“ kriege ich schnell die Krise).
Auf die Plätze, fertig, Kur
Je mehr ich über die Kur-Angebote las, desto interessanter wurde das Thema dann. Die Aussicht auf drei intensive Wochen mit meinem Sohn – verbunden mit einem täglichen Sportprogramm – klang verlockend. Auch oder gerade, weil die Sportangebote zu den Dingen gehören, vor denen ich mich als Fußballer „von Natur aus“ eher drücke (Rückenschule, Yoga, Wassergymnastik). Natürlich gab es innere Vorbehalte und auch einige externe Vorurteile. Sowohl im männlichen Teil meiner Technologie-Bubble als auch im Fußballumfeld stand die „Vater-Kind-Kur“ nicht gerade weit oben auf der Coolness-Skala. Aber ich wäre kein guter PR-Mensch ohne die nötige Neugier, es trotzdem oder gerade deshalb zu probieren. Also bewarb ich mich um eine Kur und erhielt überraschend schnell die Zusage.
Gesunde Ernährung, Sport, Zweisamkeit und ganz viel Schlaf
Im Februar erreichten Junior und ich die Insel Fehmarn. Um es vorweg zu nehmen: Ja, am ersten Abend fühlte sich die Aussicht darauf, drei Wochen mit all diesen 70 fremden Müttern (und drei weiteren Vätern) und über 100 Kindern zu verbringen, definitiv komisch an. Aber schnell spielte das überhaupt keine Rolle mehr. Mir ging es allein um mich und meinen kleinen Kurkumpanen, und genauso haben wir die drei Wochen dann auch gestaltet. Wir haben schnell feste Rituale entwickelt (tägliches Schwimmen, Dame spielen, Vorlesen) und während ich bei der Rückenschule oder beim Strandlauf war, hat er sich in der Kinderbetreuung sehr wohl gefühlt.
Allgemein gilt: Man kann während solch einer Kur sehr gut sein eigenes Ding machen. Man muss an keinen Gesprächskreisen und Origami-Workshops teilnehmen, wenn man nicht der Typ dafür ist. Man wählt seine Anwendungen nach seinen eigenen Bedürfnissen und probiert dabei auch Dinge aus, die man sonst vielleicht nie versuchen würde (bei mir z. B. Progressive Muskelentspannung und Nordic Walking). In den ersten Tagen habe ich noch versucht, jede Anwendung mitnehmen, die möglich war. Das änderte sich schnell. Danach wurden Mittagsschlaf, Lesen und Spaziergänge mit dem Zwerg immer wichtiger. Umrahmt von Massagen, Saunabesuchen, Rückengymnastik und einer morgendlichen Laufrunde am Strand.
Der Verzicht auf Alkohol, eine gesunde Ernährung und so viel Schlaf wie ewig nicht (vergleiche das alles gern mit deinem letzten Urlaub) sorgten spürbar für ein physisches und psychisches Upgrade. Für mich besonders wichtig: Aus der Distanz heraus den normalen Alltag und die Störenfriede darin zu analysieren und im Anschluss Abläufe, vor allem aber Erwartungshaltungen zu verändern.
Fazit: Für mich und den Zusammenhalt mit dem Sohnemann war die Zeit wahnsinnig wertvoll. Unser Glück im Unglück zudem: Kaum war die Kur zu Ende, begann der erste Corona-Lockdown. Wir waren vorbereitet.
Ein weiterer Punkt, der vielleicht nicht immer gilt, auf uns aber eindeutig zutraf: Auch für die Mutter waren die drei Wochen ohne uns mehr Erholung als ihre eigene Mutter-Kind-Kur zwei Jahre zuvor. Somit haben wir also komplett als Familie profitiert.
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Anmerkung: Dieser Artikel erschien bereits auf meinem Linkedin-Profil, darf aber auch gerne außerhalb meiner Kontakte gelesen werden. Wer Fragen hat, soll diese natürlich gerne stellen.
Ein Kommentar
Julia
Toller Beitrag