Print lebt? Klassentreffen einer todgeweihten Branche
Impressionen von der IFRA World Publishing Expo.
Neulich haben meine Kollegin Sina und ich die IFRA World Publishing Expo in Berlin besucht, den Treffpunkt für die „weltweite Publishing-Community mit Fokus auf erfolgreiche Print-Strategien“. Um ein wenig den Bezug zu unserem Fische-Alltag herzustellen, der ja von der Zusammenarbeit mit Medien und inhaltlich von Digitalisierung geprägt ist: Parallel fand die DCX Digital Content Expo statt, als die Horizonterweiterung der Branche in die digitale Welt. Druckerschwärze versus Pixel, in Zeiten der weltweit sinkenden Auflagen von Print-Medien hatten wir hitzige Diskussionen, neue Monetarisierungsstrategien für Content und ganz allgemein Lösungsansätze für das Zeitungssterben erwartet. Hier nun unsere von Stirnrunzeln und Kopfschütteln begleitete Impressionen:
- Druckerpressen: Ja wirklich, riesige, schwere, sich langsam drehende Drucker in Glasvitrinen. Natürlich Digital-Druck, und trotzdem fühlten wir uns ein bisschen wie im Technik-Museum. Schließlich braucht eine Messe auch ein paar Produkte zum ausstellen.
- Viele alte weiße Männer. Das klingt böse und stimmt auch nicht ganz, es waren auch Businessmen-Delegationen aus Japan und Indien da, englisch, italienisch und schwedisch wurde ebenfalls vielerorts gesprochen. International war die Messe zweifelsohne, aber: Der Altersdurchschnitt war gehoben, die Anzüge grau und schwarz, die Schuhe keine Sneaker. Und Frauen stellten geschätzt magere 10% der Besucher. Schließlich ist eine Messe auch ein Klassentreffen.
- Ich habe in meinem Leben wirklich viele internationale Messen erlebt, aber die Farblosigkeit des Ensembles aus 180 Ausstellern sticht hervor. Versteht mich nicht falsch, nicht jede Messe muss so wuselig und bunt wie die dmexco sein, um dem Besucher Spaß zu machen und inhaltlichen Mehrwert zu erzeugen. Schließlich ist eine Messe eine Plattform zum Geschäftemachen. Aber wenn das Auge an rein gar nichts hängen bleibt außer dem auf Aufstellern gedruckter Slogan: „Everything which is made from coal today can be made from a tree tomorrow“ – dann wünsche ich dem Unternehmen auch keine gute Zukunft.
Sina und ich haben uns dann ein bisschen bei ausliegenden Fachmedien für Druck-Experten umgeschaut und uns gefühlt wie irgendwo zwischen 1998 und 2008 im WordArt-Universum gefangen. Eine von uns sehr geschätzte Herausgeberin eines Print-Magazins, das den Mut hat der Branche die Digitalwelt nahebringen zu wollen, hat als Titelbild ihres neusten Heftes einen galaktischen Urknall gewählt. Richtig so, der einzige Farbtupfer der Messe, dachten wir. „Aber mute ich den Herren damit vielleicht zu viel zu?“ fragt sich die Herausgeberin dennoch selbstkritisch.
Auf dem Weg zur S-Bahn haben wir dann noch einen sehr netten Herrn aus Hannover kennengelernt, der die Messe als durchaus zufriedenstellend beschrieb. Er vertritt eine große Druckerei in Niedersachsen, die davon profitiert, dass Tageszeitungen sich keine eigenen Druckereien mehr leisten können und outsourcen müssen. Mit genauem Blick auf die Zahlen gibt er den Tageszeitungen noch etwa 10 Jahre. Die Print-Ausgaben sinken massiv, einzig die regionalen „Käseblättle“ mit Werbebeilagen stagnieren immerhin statt zu sinken. Einfach, weil der Durchschnittsdeutsche immer noch Spaß daran hat, Rabatt-Coupons auszuschneiden. Vielleicht hat eben doch nur der Ikea-Katalog eine gedruckte Zukunft. Ganz nüchtern erklärte der Herr aus Hannover, dass für seinen Geschäftsbereich die Digitalisierung keine Chance, sondern den Tod darstelle.
Und Sina und ich sind wieder ins Büro gefahren mit der lehrreichen Erkenntnis, dass eine wirklich gelungene Messe dazu da sein sollte, Akteure aus der alten mit der neuen Welt zusammenzubringen. Im Übrigen lieben wir Print-Magazine, wir hoffen auf ihr Überleben durch Neuerfindung, aber vielleicht haben wir auf der diesjährigen IFRA World Publishing Expo zu viel Hülle und zu wenig Inhalt erlebt, um wirklich zuversichtlich zu sein.