Standbild OMR: Die Kommunikation transformiert sich, der Messebau bleibt gleich
Auf den ersten Blick wirkt die OMR wie die DMEXCO – oder jede andere Messe, über die ich bis jetzt gelaufen bin. Ich bin nicht ganz sicher, was ich erwartet habe, kreative Ausnahmetalente unter den Ausstellern haben sich jedoch eher nicht aufgetan.
Der Veranstalter ist bemüht, den eigenen ‚Digital-Native-Stil‘ beizubehalten und schafft in den Hallen trotz Wachstum tatsächlich ein moderneres Gesicht. Parallel professionalisieren sich Aussteller und berichtende Medien immer mehr, was bei den Ausstellern oft langweilig wirkt, bei den Medien jedoch zunehmend unterhaltsameren Content entstehen lässt.
Nach den Erzählungen der Vorjahre, die OMR könnte mit ihrem frischen Konzept möglicherweise die DMEXCO obsolet machen, wollte ich mir das Potenzial der Rockstars dieses Jahr doch mal selbst ansehen. Die Veranstalter der OMR wollen gern den Charme der jungen Wilden, das Familiäre, das freundschaftliche Konzept eines Branchentreffens vor sich her tragen. Der Anspruch gerät schon am Eingang ins Wanken: Denn ob es nun an mir und meinem möglicherweise etwas übernächtigten Gesicht liegt oder an einer Veranstaltung, deren Ursprungsidee bereits in die Jahre gekommen ist – der nette Mensch am Counter bemüht sich bei der Umwandlung meines Tickets in ein Bändchen redlich, mich zu duzen, fällt aber immer wieder ins ‚Sie‘ und beißt sich anschließend zweimal sichtlich auf die Zunge.
‚Kreative‘ Ausreißer sind ein Bett und eine Wand aus Plastik-Blumen
Dieser Konflikt zwischen gewollt entspannt und einem spürbaren Wunsch nach Abschlüssen bleibt mir erhalten. Hätte der Veranstalter OMR nicht via Farben und Lichteffekten für Abgrenzung gesorgt, wäre ich beim Wandern durch die Gänge nicht sicher gewesen, ob ich nun im Mai in Hamburg oder im September in Köln bin. In den Hallen reiht sich ein Stand an den anderen, einer aussageloser als der andere. Storytelling? Fehlanzeige. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob mir Standkonzepte nicht sogar ganz wahnsinnig bekannt vorkommen. ‚Kreative‘ Ausreißer sind ein Bett und eine Wand aus Plastik-Blumen. Beide Aussteller haben sich, teils sehr kurzfristig, Gedanken gemacht, wie sie die Kompetenzen ihrer Unternehmen bildlich transportieren.
Die Ständereihen werden unterbrochen durch Bühnen, auf denen Vorträge mit sehr unterschiedlicher Wirkung präsentiert werden. Soheil Dastyari von Territory, der Beziehungstipps für Marken gibt, kratzt zwar rethorisch bereits am Ted-Talk-Niveau, klingt inhaltlich aber wie ein Selbsthilfe-Guru zur Persönlichkeitsoptimierung.
Der Google-Vortrag zur Professionalisierung von Marketing-Kampagnen via Machine Learning für den FC Bayern sowie herrenausstatter.de wirkt sogar wie eine viel zu bemüht einstudierte Choreografie, fast wie die noch etwas stolpernde Generalprobe für einen live aufgeführten Werbespot. Dem gegenüber stehen inhaltsstarke Vorträge, wie etwa der von Enrico Plateo von Tencent mit drei Kurzvideos zu WeChat als neues Internet der Millenials, das nicht nur Kommunikation, sondern auch Payment, Navigation, Hotelbuchung und so vieles mehr umfasst. Auch Twitch – Live-Streaming-Dienst der Millennials für Gaming, Sports, Creatives und Esports – positioniert sich mit erstaunlich umfangreichem Inventar und Geschäftsmodell. (Beides hoffentlich demnächst hier zu sehen)
Berichterstattung ganz selbstverständlich in allen Formaten
Die größte, für die OMR-Besucherin sichtbarste Wandlung vollziehen derzeit die vor Ort vertretenen Medien. Die wenigsten haben nur einen Stand oder erscheinen „nur“ mit einem Notizblock am Stand. Gespräche werden inzwischen fast immer mit dem Smartphone aufgezeichnet. Immer öfter die Regel als die Ausnahme ist aber auch der Gebrauch von Kameras für Videos – so führt das Magazin W&V inzwischen seine Interviews. Parallel dazu werden Podcasts produziert. Ebenso erscheint die Zeitung Horizont direkt mit Kamera in den Hallen der OMR.
Aussteller verpassen Chance auf relevante, inklusive und multimediale Kommunikation
Was auf den Bühnen der OMR deutlich wurde ist, dass der Kern des Marketings und der Kommunikation vor allem drei Eckpfeiler umfasst: Storytelling mit Fokus auf Relevanz, Multimedialität und den Community-Gedanken, den es inzwischen immer mitzudenken gilt. Es ist dann doch erstaunlich, dass die Absender dieser gesammelten Erkenntnis aus der gleichen Branche (oder sogar aus den gleichen Unternehmen) kommen, die für die gezeigten Messestände verantwortlich sind. Der Mehrwert der Aussteller misst sich an der Anzahl der kaufkräftigen Kontakte, die sie mit nach Hause nehmen, der Mehrwert der Besucher jedoch an den gewonnenen Erkenntnissen. Zumindest auf der OMR 2019 sind zwar Veranstalter und teils die Vortragenden, nur in Ausnahmefällen jedoch die Aussteller diesem Bedürfnis der Besucher gerecht geworden. Eine Journalistin hat im Zwiegespräch im Pressezentrum recht offen formuliert, dass sie aus genau diesem Grund an keinem Gespräch mit den allermeisten Ausstellern interessiert ist.
Für mich steht die Frage im Raum, ob das Konzept Messe bei so unterschiedlichen Bedürfnissen unbegrenzt weiter reproduziert werden kann, und ob entsprechend auch eine DMEXCO neben einer OMR und umgekehrt bestehen kann. Und ob ein Aussteller, dem es gelingt, eine stringente Story mit Relevanz und Interaktionsmöglichkeiten für die Besucher in den eigenen Messeauftritt einzubauen, nicht einen größeren Mehrwert aus den sicher nicht gerade günstigen Standquadratmetern holen könnte als die Aussteller, die in diesem Jahr noch das buchstäbliche Standbild aus der Vergangenheit bevorzugt haben.