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Mal unter uns über Über uns

, 24.10.2011,

Sie ist Pflichtprogramm auf jeder Unternehmens-Website und wird zumeist auch wie eine lästige Pflicht behandelt: Die „Über uns“-Seite. Da sie für mich auch immer ein Gradmesser für PR- und Social Media-Potentiale ist, habe ich mit Freude den lesenswerten Blogbeitrag von Adam Kreitman, Inhaber der SEM-Agentur Words That Click gelesen. Es geht um die Nichtigkeit und (daraus resutlierende) Unterträglichkeit der meisten „Über uns“-Texte und vor allem das dadurch verschenkte Potential!

Völlig zutreffend stellt er fest, dass die meisten Unternehmen in ihrem Selbstportrait vor allem beweisen, wie schwer es ihnen fällt, die Kunden-Perspektive einzunehmen. In gefühlt 90% aller Fälle lesen wir dort, dass die Firma die geilste Firma mit den geilsten Produkten und den geilsten Mitarbeitern ist. Das Ganze schildern sie dann mehr oder weniger ausführlich und blumig, um abschließend in einem Kernsatz festzuhalten, dass die Firma die geilste Firma mit den geilsten Produkten und den geilsten Mitarbeitern ist.

Adam betont: „That’s all well and good, but there’s just one problem…no one cares! People care about themselves. They want to know how your company, your products/services, and your employees can improve their lives.“

Seine These: Unternehmen sollten nicht so oft von Eitelkeit geblendet in den Spiegel schauen, sondern festhalten, wie sie sich Ihren „perfekten Kunden“ vorstellen. Das würde viel mehr über das eigene Unternehmen aussagen als die typische Selbstbeweihräucherung.

Was die „Über uns“-Seite über das Social Media-Potential von Unternehmen aussagt

Insbesondere für B2B-Unternehmungen möchte ich Adam bedingungslos zustimmen! Wo kann ein Unternehmen auf seiner Website mehr Persönlichkeit demonstrieren als an dieser Stelle? Wenn ich das Potential eines Kunden im Social Web untersuchen soll, ist meine erste Handlung immer der Besuch auf dessen „Über uns“-Seite. Je allgemeiner, werblicher (und langweiliger) dort ein Unternehmen vorgestellt wird, desto schwerer wird ihm die Kommunikation im Social Web fallen.

Natürlich gilt auch hier die alte (Social Media)-Weisheit: „It´s not what you say that matters, it´s what you do!“ Aber die „Über uns“-Seite ist eben eine wichtige (oftmals sogar die einzige) geschriebene Wertegrundlage, an der man das Tun eines Unternehmens messen kann. Und die erste Handlung betrifft zum Beispiel das verwendete Bildmaterial, welches ja mehr „Über uns“ verraten soll. Stock-Fotos gehen eigentlich gar nicht. Aber guck an, die Mitarbeiter einer fränkischen Steuerkanzlei arbeiten auch in einem schwedischen Handyladen und da twittert das „Social Media Gesicht“ einer Münchener Online-Prospekt-Seite auch für eine US-amerikanische iPhone-App.

Das gilt übrigens mindestens genauso im Hinblick auf potentielle Bewerber. Ich weiß noch genau, wie beeindruckt ich war, als ich zum ersten Mal auf der Fische-Website neben vielen anderen guten Einblicken davon las, dass sich potentielle Kunden besser nach Alternativen umschauen sollten, wenn es ihnen schwer falle, dass man als Dienstleister auf Augenhöhe auch mal Klartext rede.

Hat mich jedenfalls sehr viel mehr angesprochen als der „Über uns“-Text einer Social Media-Agentur, wo es heißt:

Wir legen speziellen Wert auf messbare Ergebnisse und verwenden integriertes zielgruppenspezifisches Multi-Channel Marketing. Social Media Marketing ist fuer uns ein Bestandteil des Internet Marketing-Mix und wir binden es effektiv in das kulturelle und betriebswirtschaftliche Marketingkonzept unserer Kunden ein.

Mutig aber richtig dagegen finde ich, dass ein guter Freund auf der „Über uns“-Seite seiner Projektschmiede für Kraft-Wärme-Konzepte betont, man suche eben gerade „keine Kunden, die sich zurücklehnen wollen, sondern aktive, engagierte und interessierte Partner.“

Weniger schön dagegen folgende Beispiele, die ich beim wahllosen Zufalls-Surfen als erstes im Netz gefunden und aus Sicht des Kunden kommentiert habe:

Hardware:

„Seit der Gründung hat XY stets das Ziel verfolgt, die Barrieren zwischen Mensch und Technologie abzubauen. Durch die Fokussierung auf die weltweite Vermarktung der eigenen Marken IT-Produkte etablierte sich XY als zweitgrößter Anbieter auf dem weltweiten (..) Markt. Das nachhaltige Kanalvertriebsmodell gewährleistet konstantes Wachstum und erfolgreiche Zusammenschlüsse (…)  stärken die weltweite Marktposition des Unternehmens.“

Kunde:

„Hip hip Hurra, sie haben ein nachhaltiges Kanalvertriebsmodell“

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Medizintechnik:

„Die XY ist Ihr leistungsfähiger OEM-Partner für Einmalgeräte rund um die Medizintechnik und den Pharmabereich. Bei uns erhalten Sie alles aus einer Hand. Unsere Präzisionsarbeit reicht von der Idee bis ins Detail und Sie dürfen sich hiervon gerne überzeugen. Nutzen Sie Ihre Chance, mit unserem KÖNNEN, zu wachsen und stellen Sie uns Ihre Anfrage“

Kunde:

„Wahnsinn! Ich darf mich überzeugen! Wie eigentlich?“

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Immobilien-Portal

„A ist der größte deutsche Internet-Marktplatz für Immobilien. Mit 6 Millionen Besucher (Unique Visitors; laut comScore Media Metrix) pro Monat ist die Website auch das mit Abstand meistbesuchte Immobilienportal im deutschsprachigen Internet.

Das Unternehmen sitzt in B und beschäftigt über 500 Mitarbeiter. Seit über 10 Jahren ist A erfolgreich im Internet tätig.“

Kunde:

„Ja mensch, Du! Toll Dich mal näher kennen zu lernen“



Über Sebastian

Sebastian ist Creative Director und kommt ursprünglich aus der Musikbranche, wo er sich sehr früh der Arbeit mit social networks gewidmet hat. Bevor er zu den Frischen Fischen stieß, hat der studierte Betriebswirt fünf Jahre für die Mobile Marketing Agentur Goyya Kampagnen konzipiert und betreut. Sebastian ist passionierter Kinder- und Jugendfußballtrainer.


6 Kommentare


  • Danke! An den Unternehmensfilm hab ich erst gar nicht gedacht. Aber Du hast vollkommen recht, wie will man einen Film drehen über „nichts“! Sehr wichtiger Punkt!
    Ich bin zwei Tage später über das hier gestolpert http://www.facebook.com/FrischeFische/posts/218208044913223 – Daraus könnt ihr sicher auch einen Film machen, oder?

  • …als Filmemacher bzw. Fotograf muss man in der Lage sein, seinen Film oder die Reportage in ca 5 Sätzen aussagekräftig beschreiben zu können. Bitte ich Kunden, ihr Unternehmen ebenso zu beschreiben, beobachte ich die erstaunlichsten Freiflugmanöver. Wochen später flattern dann Formulierungen ins Haus, die mich jedesmal schwer erschüttern. Bei dem Hinweis, dass es neben Fotografen die das Unternehmen in richtigen Licht rücken auch Menschen gibt, die sich professionell mit Buchstaben auseinandersetzen, wird gestenreich abgewunken; „…wir bleiben lieber peinlich“

  • Terence, völlig klar.. Aber trotzdem die nettere Art, oder? :D

  • Die Zensur ist gut gemeint, aber dank Copy/Paste in Google findet man doch noch recht einfach die Kollegen hinter den „Über uns“ Quotes. Aber das Kanalvertriebsmodell ist super :D

  • Ein toller Artikel mit sehr guten Denkanstößen – „eigentlich logisch“ denkt man nach dem Lesen – und kommt vorher doch nicht von selber drauf.

    Wir haben das gleich mal an unsere Redaktion weitergeleitet und uns in die Kundenperspektive versetzt!

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