Lang leben die Königinnen der Landwirtschafts PR
Am vergangenen Wochenende war ich im wunderschönen Spreewald. Natürlich war ich auch Paddeln und habe die herrliche Natur genossen, aber der Höhepunkt meines Ausflugs war die Wahl zur Gurkenkönigin 2012.
Als Social Media Mensch in einer Agentur für Tech-PR kommt man ja recht selten in den Genuss kerniger Offline PR-Maßnahmen. Dabei kann man von denen am Ende mehr lernen, als man auf den ersten Blick ahnt? Schließlich bewährt sich so manche Marken-Monarchie schon seit über 80 Jahren. Die erste Weinkönigin zum Beispiel wurde bereits 1931 in der Pfalz gekürt und darf als Blau(blut)pause für so manche Nachahmung gelten. Neben den mittlerweile 13 Weinköniginnen aus 13 Anbaugebieten, haben sich auch Kartoffelköniginnen, Spargelköniginnen oder die Gurkenkönigin in den Land(schafts)adel eingereiht, der mittlerweile sogar einen eigenen Verband gegründet hat. Die Arbeitsgemeinschaft will mit dem werblich-touristischen Markenzeichen „Deutsche KönigInnen“ intensiv für Urlaub in Deutschland werben und auf Orte und Städte mit einer Produkt- oder Markenkönigin oder Volksfeste mit überregionalen Charakter hinweisen.
Echte Töchter der Weinberge, von kräftiger Statur, kerngesund und apfelbäckig
Das bedingungslos konservative Bild der ersten Jahre (die Süddeutsche bezeichnete die Kandidatinnen zur Wahlkönigin 1950 als „echte Töchter der Weinberge, von kräftiger Statur, kerngesund und apfelbäckig“) hat sich an der einen oder anderen Stelle mehr getan an anderen weniger… Trotzdem sind Dirndl-Dekoltee und ein fröhliches Wesen nach wie vor genauso wichtig wie Heimatverbundenheit und Fachwissen.
Wikipedia weiß zu berichten, dass ab den 90er Jahren das Amt für junge Winzerinnen mehr zum Karrieresprungbrett in die Politik, in Marketing-Positionen oder in die Selbstständigkeit wurde und verweist dabei zum Beispiel auf eine Evelyn Schmidt, die nur 200 Meter vom Dresdner Fische-Headquarter ihr Abi gemacht hat. Im Jahr 2007 deutsche Weinkönigin war und heute irgendwo für irgendwas Marketing macht. Spielt ja auch keine Rolle.
Eine Kandidatin zur Wahl der Gurkenkönigin muss jedenfalls eine Menge Fakten lernen. Sie muss zum Beispiel wissen, wie lange man braucht, um einen Spreewaldkahn von Lübbenau nach Berlin zu staken (nicht stalken!). 8 Tage übrigens. Außerdem muss man wissen, welche Zutaten zu einem Gurkengericht passen (in der modernen Küche im Grunde alle – außer vielleicht Nutella) und den Zuschauern und der Jury ein eigenes Gurkenrezept vorlegen (Merke: Saure Gurken können so sauer sein, dass Du anschließend mit einer Zitrone gegenschmeckst).
A propos Rezept: Das geht rein PR-technisch immer noch auf. Besucher und lokale Presse sind bei der Wahl in großer Zahl vertreten und auch wenn der MDR dieses Jahr kein eigenes Fernsehteam schicken konnte, hat es die Gurkenkönigin ja erst kürzlich in den Polizeiruf mit Sophie Rois geschafft: Bessere Werbung kann sich eine touristische Region kaum wünschen.
IT Girl statt Silicon Königin….?
Und so grübelte ich den abends beim Bier in der kleinsten Brauerei Brandenburgs (mit Fischlogo), ob – und wenn ja wie – sich nicht auch regionale Technologiebranchen diesen Brauch zu Nutze machen sollten. OK, dass eine Silicon Königin als Vertreterin von Silicon Saxony sich eher weniger gut macht, darauf bin auch alleine gekommen. Aber so ein Dresdner IT GIRL mit Körbchengröße Doppel D* würde sich bestimmt nicht nur in den Augen mancher FDP Vertreter im sächsischen Wirtschaftsministerium ganz gut machen bei Cebit und Co. Sie kriegt dann als offizielle Botschafterin der Dresdner IT-Landschaft eine eigene Facebook-Seite (evtl. auch ein Profil bei Badoo oder Lovoo) und alle Informatiker, die sich von außerhalb auf eine Stelle in Dresden bewerben, werden von ihr persönlich durch die Stadt geführt und abends… Abends kriegt dann der Social Heini von den Fischen einen von seinen Kolleginnen vor den Latz für seine Macho-Exkurse im Firmenblog.
Im ernst: Sind Petersilienkönigin, Kirschkönigin, Birnenkönigin und Gedeckte Apfelstrudelkönigin noch zeitgemäß oder Ausdruck eines Geschlechterbilds aus einem Land vor unserer Zeit?
15 Kommentare
Jan Pu00f6tzscher
u00a0ich seh schon, das wird wohl noch olypmisch werden ;D
Sven
u00a0Eben. Du musst die Vorteile sehen. Wenn dich die Nachbarn belu00e4cheln und die Arbeitskollegen zuku00fcnftig mobben und mit Kuchen bewerfen, ist das zwar nicht schu00f6n, aber hey….Groupies. :)nn@c7a845dc3a1e1f9b57b1872f8f52f1a9:disqus Stimmt. Jobtitel. Wu00fcrde mir fu00fcr mein Profil auch besser gefallen als das, was derzeit dort steht. :)
Sebastian
Als Auszeichnung? Wieso nicht gleich als Jobtitel? Immer noch besser als „hilft Ihnen, mit Ihrem Erfolg fertig zu werden.“ (so heute morgen gesehen)u00a0n
Jan Pu00f6tzscher
u00a0und dann die ganzen Groupies ^^ ich bin dabei!!
Sebastian
Welcher Stammtisch eigentlich?u00a0
Sven
u00a0Nicht ernst nehmen? Ich bitte dich! So einen Namen tru00e4gt man mit Stolz und bei Xing als Auszeichnung ein. Und fu00fcr Facebook bekommt der Gewinner noch ein neues Profilbild. :)
Jan Pu00f6tzscher
u00a0dann sollte es funktionieren :D beim Schu00fctzenku00f6nig gibts ja schlieu00dflich auch ne Schu00fctzenku00f6nigin!nnIch befu00fcrchte aber, dass es einem als Mann irgendwie an Wu00fcrde mangelt, diesen Titel zu tragen … Dich nimmt dann doch keiner mehr ernst ;-)
Sven
u00a0Die da wu00e4re? Darf ich in der Jury sitzen und alle Eierschecke-Varianten probieren? :D
Sebastian
Eierschecke-Ku00f6nig… Da bringst Du mich auf so eine Idee…. :Du00a0
Sven
u00a0Jan, also…u00e4hm…..ihhh. Nee. :) Der Ku00f6nig muss schon mit anderen Stu00e4rken glu00e4nzen. Vielleicht einer schnieken Frisur oder einem grenzgenialen Rezept? Oder einem Eierscheckenkostu00fcm der Spitzenklasse? :)
Jan Pu00f6tzscher
Herrliche Informationen fu00fcr den Stammtisch :-Dnn@Sven – ein EierscheckenKu00f6nig mit Dekoltee….das will doch keiner sehen ;-)
Kathi Zegers
Mir fehlt die Referenz zu Jenny Elvers, die ja als Weinku00f6nigin so beru00fchmt wurde, dass sie sogar Thomas D ins Bett bekommen hat. Dann kurzer Abstieg mit so nem Big Brother Horsti, dann wieder Lauterbach und jetze… hmm… mit wem eigentlich jetzt. Ach egal, dit nenne ich auf jeden Fall PR- und Imageaufbau par excellence…nnZur eigenen Facebook-Seite der Gurkenku00f6nigin: Tja, da mu00fcsste man es so machen wie Hans Sarpei. Man holt sich einfach JvM ins Haus, lu00e4sst sein Image aufbauen. Gab ja auch ne Analyse zu dem Fall ku00fcrzlich von JvM. Sehr spannend.
Kathi Zegers
Mir fehlt die Referenz zu Jenny Elvers, die ja als Weinku00f6nigin so beru00fchmt wurde, dass sie sogar Thomas D ins Bett bekommen hat. Dann kurzer Abstieg mit so nem Big Brother Horsti, dann wieder Lauterbach und jetze… hmm… mit wem eigentlich jetzt. Ach egal, dit nenne ich auf jeden Fall PR- und Imageaufbau par excellence…nnZur eigenen Facebook-Seite der Gurkenku00f6nigin: Tja, da mu00fcsste man es so machen wie Hans Sarpei. Man holt sich einfach JvM ins Haus, lu00e4sst sein Image aufbauen. Gab ja auch ne Analyse zu dem Fall ku00fcrzlich von JvM. Sehr spannend.
Sven
Vor allem sind sie eines: diskriminierend! Vielleicht will ich ja auch Gurkenku00f6nig und Eierschecke-Ku00f6nig werden? Die Chance wird mir ja gar nicht geboten. :( nnAnsonsten stellt sich fu00fcr mich die Frage nach dem „zeitgemu00e4u00df“ eigentlich nicht. So lange die Menschen an Traditionen hu00e4ngen, sie wieder beleben und fu00f6rdern sowie es Leute gibt, die sich an diesen Feierlichkeiten erfreuen, wird das wohl so bleiben. Und vielleicht ist das auch gar nicht mal schlecht so, gehu00f6rt es doch zur Geschichte einer Region, eines Landes… ? Was hu00f6chstens schu00f6n wu00e4re: wenn man mal daru00fcber nachdenkt, wie man die Vergangenheit zumindest mit der Gegenwart vereinen ku00f6nnte. Also doch Gurkenku00f6nig? :)nnIT Girl fu00e4nd ich btw furchtbar. Auf Klischees muss man nun wirklich nicht herumreiten, oder? :)n