Fussball2.0: Warum deinfussballclub.de nicht funktioniert
Seit ziemlich genau drei Jahren geht der Traditionsverein SC Fortuna Köln einen neuen Weg im deutschen Fußball: den Social Media-Weg. Unter der Schirmherrschaft von Sönke Wortmann entstand im Zuge akuter Insolvenzgefahr das Projekt deinfussballclub.de, bei dem Mitglieder mehr Mitspracherecht erhalten sollten als bei den typischen Vereins- und Unternehmensstrukturen im Leistungssport. Für einen Jahresbeitrag von 39,95 € können Mitglieder über eine Online-Community bei Transfers, Gehältern, Trikotfarben, Merchandising und anderen Dingen abstimmen und so entscheidenden Einfluss auf die Vereinsführung nehmen. Im Grunde Crowdfunding und Crowdsourcing in Reinkultur. Und ähnlich wie bei der Crowdfunding-Plattform Startnext war zunächst geplant, dass die Beiträge der Mitglieder erst fällig werden, wenn ein ausgegebenes Ziel (30.000 Mitglieder) erreicht wird. Diese Regelung wurde mittlerweile gekippt. Bis Ende Oktober 2009 hatten sich etwas mehr als 10.500 Mitglieder registriert und entschieden, mit der Umsetzung vorzeitig zu beginnen. Ende 2010 waren nach DFC-Angaben noch etwas mehr als 9.000 zahlende Mitglieder dabei. Einer davon bin ich ?
Die Idee ist gut und die Welt bereit. Nur das Objekt is ungeeignet!
Mein Antrieb für die Mitgliedschaft war neben einer Begeisterung für alle Ideen mit hoher User-Partizipation vor allem die pure Neugier. Leider bleibt festzuhalten: Fortuna Köln ist mir bis heute immer noch genauso ‘herzlich’ egal geblieben, wie sie es 1985 war. Damit bin ich wahrscheinlich nicht allein – und in meinen Augen liegt genau da der Grund dafür, warum das Projekt eher scheitern wird bzw. nicht zu einem Einzug in den Profifußball reichen wird. So jedenfalls mein Gefühl. Sonst müsste eine Euphorie doch auch außerhalb der Community spürbar sein, oder? Und das ist sie nicht.
Das letzte Presse-Clipping auf der Website stammt aus dem Jahr 2009. Ok, das bedeutet natürlich nicht, dass seitdem nicht über Fortuna Köln oder DFC geschrieben wurde. Es zeigt nur, dass offenbar die Anfragen von Journalisten so selten sind, dass man keine aktuelleren Pressemitteilungen, Berichte, Fotos oder Termine veröffentlichen muss. Echtes Medieninteresse sieht anders aus…
Dem verlinkten Twitter-Account folgen gerade mal 1.277 Leute und die verlinkte Facebookseite vom DFC hat lächerlich anmutende 252 Fans. Ein Projekt, das vor drei Jahren angetreten ist, der Fußballwelt zu zeigen, dass man einen Verein als ‘soziale’ Community führen kann, scheint in Zeiten des Social Media-Hypes nicht gerade wirklich weit gekommen.
Was nicht heißt, das man nicht dennoch wichtige Erkenntnisse daraus ziehen kann. Ich habe einige erlebt, die in dem Projekt ziemlich aufgegangen sind. Die kamen aber auch aus dem Rheinland, konnten Spieler und Verantwortliche vom Spielfeldrand aus erleben, und haben sich auch untereinander getroffen. Aus dem fernen Dresden wurde die emotionale und räumliche Distanz aber auch durch eine aktive Beteiligung nicht geringer. Ich habe mich schlichtweg nicht kompetent genug gefühlt, mich an Abstimmungen zu beteiligen. Das sollten bitte die machen, die wirklich ins Stadion gehen. Nachdem ich zu Beginn vieles passiv beobachtet habe, bin ich immer seltener auf die Seite gegangen, und als ich mich heute für diesen Artikel einloggen wollte, wusste ich nicht mal mehr meinen Benutzernamen oder mein Passwort. (Wie sich rausstellte, lautete das Passwort übrigens „4pauli4barca4dynamo“ – so viel dazu! ?)
Nicht wirklich perfekt ist auch die technische Umsetzung bzw. Konzeption der Plattform. So sind Abstimmungen und deren Zwischenstände nur für eingeloggte Mitglieder sichtbar. Das verhindert, dass sich Neugierige ein besseres Bild machen und durch Kommentare (bei Twitter, Facebook & Co.) die Diskussionen öffentlich aktivieren können. Da wird ein riesiges Potential vergeben, den Verein permanent in der Öffentlichkeit statt finden zu lassen. Überhaupt ist die Website für Außenstehende nicht besonders übersichtlich. Das große Werbebanner selbst wirkt wie ein Fremdkörper auf der Seite und erweckt dadurch den Eindruck einer bunten Werbeseite. Da wäre eine schlichtere, organischere Gestaltung eindeutig vorzuziehen. Vor allem aber wäre es wichtig, die Aktivitäten der Community transparenter dazustellen. Als Besucher landet man vor einer großen Tür und weiß nicht, was dahinter vor sich geht. Wer ist dort? Worüber wird gesprochen? Wie sieht so eine Abstimmung aus? Nicht alles, aber vieles davon sollte offener einsehbar sein.
Demokratie und Transparenz sind toll! Aber wecken wenig Emotionen
In Zeiten, in denen Mitglieder großer Vereine immer lauter und entschiedener Mitspracherechte fordern, sollten viele Vereine genau hinschauen, welche Learnings man aus dem Projekt gewinnen kann. Natürlich muss ein Trainer im Profifußball absolut unabhängig von der Meinung der Fans seine Mannschaft aufstellen. Aber gerade bei Dingen wie Freundschaftsspielgegnern, Trikots, Auswahl von Sponsoringpartnern (Getränkepartner), der Musik vor dem Spiel und in der Halbzeit und vielen anderen Dingen, wäre eine Auswahl durch die ‘Crowd’ sicherlich sehr, sehr spannend. Es reicht nicht mehr, die Fans in Foren oder auf Facebook-Seiten diskutieren zu lassen. Zu oft überträgt sich der rüde Ton aus der Kurve ins Netz und zu oft schwingen sich da einzelne Nutzer als Sprecher einer vermeintlichen Mehrheit auf. Deren Kommentare werden dann als ‘Fanmeinung’ von den Medien aufgegriffen und verwässern so.
Wichtiger sind messbare Ergebnisse, was die Mehrheit will, und das Angebot echter Partizipation. Und dazu sind viele Ansätze von deinfussballclub.de sehr gut geeignet.
Um aber erwachsene Fußballfans für einen neuen Verein (neben dem eigenen) zu begeistern, reicht auch ein Höchstmaß an Vereins-Demokratie nicht aus! Dazu ist Fußball viel zu sehr von Emotionalität geprägt. Ein Pokalfight oder leidenschaftliche Fanaktionen lösen da mehr aus als Mitspracherechte.
Fazit
Vereinswesen 2.0 ist ein richtiger und wichtiger Weg! Aber nicht zur Gewinnung neuer Fans oder zum Aufbau eines ganz neuen Projekts sondern vor allem zur Bindung bestehender Fans. Und wenn der Weg der Teilhabe gegangen wird, dann muss dieser auch so transparent und barrierefrei wie möglich sein.
Welche Beispiele kennt ihr, wo den Mitgliedern mehr Möglichkeiten eingeräumt werden als Forum und Facebookseite? Wird vielleicht sogar irgendwo ein Ideenmangement eingesetzt? Oder gibt es Vereine, die Umfragen nicht nur zur reinen Makrtforschung nutzen, sondern als Handelsanweisung? Ich freue mich auf Eure Beispiele!